… und unser global entgrenztes Handeln an Ignoranz kaum zu überbieten ist.
Wir haben die Verantwortung für unser eigenes Leben verloren. Wir müssen uns um die Gipfel unserer Selbstverwirklichungsexzesse kümmern.
Insoweit finde ich es bemerkenswert, als es keiner besonderen Vorkenntnisse bedarf, um Gewissheit darüber zu haben, dass unsere entgrenzte Mobilität, unser Konsum, unsere entlokalisierte Ernährung, unser entartetes Wohnen und Bauen sowie unser abartiger Drang zur Erneuerung digitaler Endgeräte ökologische Schadensmaximierung bedeuten. Und noch mehr, wie PET-Einwegflaschen, SUVs, Coffee-to-go-Becher, Schuhe, Elektronikschrott die Resilenz unseres Daseins gefährden.
Unsere Utopien, unsere Visionen und unsere Zukunftswünsche entsprechen meist nicht unserem Handeln. Ohne den Durchsatz unserer global benötigten Ressourcen zu senken, handeln wir mit an Dummheit grenzender Ineffizienz.
Die Hinterlassenschaften meiner eigenen Selbstverwirklichung lässt Rückschlüsse auf meine ökologische und soziale Mitverantwortung zu. Und ob und in welchem Maße ich über meine lokalen Verhältnisse lebe.
So! Worüber ich spreche, wenn ich über meine Art und Weise von reduziertem und ressourcenschonendem Leben spreche:
- Ich nutze all meinen „Besitz“ – meine Klamotten aus meinem früheren Leben jetzt erst recht und kaufe schon lange NICHTS NEUES mehr. In meinem Verständnis für reduziertes Leben ist es wenig ökologisch und ressourcenschonend, mich meines halben Besitzes zu entledigen, um dann zu sagen: ich lebe „minimalistisch mit nur 100 Dingen“.
- Der Inhalt meiner Geldbörse ist auf das Wesentlichste reduziert. Mehr brauche ich nicht. Und ich geniesse es, so wenig zu brauchen. Ich empfinde es als sehr wohltuend, die Anzahl meiner Karten an einer Hand abzählen zu können. Meine Geldbörse passt in jede meiner Hosentaschen. Oft habe ich nur etwas Geld und Schlüssel bei mir.
- Ich ernähre mich weitgehend lokal und regional. Bei meinem Kaffee (ich liebe „Türkischen Kaffee“ am Morgen) achte ich auf fairgehandelten Biokaffee. Mandeln, Kürbiskerne und Nüsse verwende ich aus Europa. Mein lokales Wasser trinke ich aus Glasflaschen. Vermeide Plastik und Umverpackungen. Und meine Öle kommen aus meinem Umland.
- Die wenige Kosmetik, die ich verwende kommt aus Deutschland. Sie wird nicht an Tieren getestet und ich verbrauche tatsächlich alles in der Verpackung.
- Ich verzichte auf industriell hergestellte Nahrungsmittel. Meine Gemüse kommt aus Deutschland oder zumindest aus Europa. Ich esse nichts, was für mich global eingeflogen werden muss und an industrielle Wohlstandsverwahrlosung grenzt.
- Ich verzichte (mittlerweile!!) auf das sogannte „Superfood“. Ein ernstes Problem ist die Nachhaltigkeits-Bilanz vieler Superfoods. Chiasamen sind so nachhaltig, wie ein völlig überteuertes Leberwurstbrötchen. Die Transportwege für die vermeintlichen Superfoods sind für mich unerträglich lang. Die zweifelhafte gesundheitliche Wirkung kann auch ein solch langer, emissionsreicher Transport schwer rechtfertigen. Weizengras aus China braucht wirklich kein Mensch. Auch das ist entarteter Konsum. Und passt für mich nicht zu meinem bewussten und weitgehend ökologisch nachhaltigen Lebensstil.
- Mein MacBook ist 5 Jahre alt. Mein IPhone ist noch aus den Zeiten meines ungehaltenen Konsums. Meine Kamera ist nicht mehr die Neuste. Ich habe keine „payback-Karte“, kein „Amazon-Konto“ und bin nicht Abonnent von „Groupon“ oder ähnlichen Online-Rabatt-Seiten. Ich sammle keine Herzchen oder Rabatt-Stempel.
- Nach sehr vielen Jahren färbe ich nun schon länger meine Haare nicht mehr. Und gehe zu einem lokalen kleinen privaten Friseur, der noch faire Löhne zahlt und für die Angestellten vertretbare Öffnungszeiten hat (Montag geschlossen, Dienstag bis Freitag bis 18 Uhr und Samstag bis 14 Uhr). Da bin ich sehr gern ein Teil davon.
- Ich bewege mich zu Fuß, mit dem Rad oder nehme die öffentlichen Verkehrsmittel. Okay, das geht natürlich sehr gut in Berlin.
- UND ich bin zu 98% (außer Kaffee, Tee und manchmal auch Kartoffelbrei mit Reismilch …) Rohkostveganerin. Aus Überzeugung.
Danke Sebastian, für das aussagefähige und beeindruckend einfache Foto.
Und so wünsche ich unserer Gesellschaft manchmal eine Energiekrise, die uns sesshaft werden lässt und entgrenzte Gütertransporte erschwert.
Die krasse Konfrontation mit Gegenmodellen, die abweichende Alternativen darstellen, finde ich heilsam. Der Bullshit vom Gequatsche angstfreier Veränderungen ist in diesem Zusammenhang absurd. Ich bin sicher, dass zu unserer menschlichen Existenz auch und gerade das Erspüren von Befürchtungen gehört. Wenn uns Gefahr bewusst ist, verstehe ich Angst als handlungsfördernd. Genau DANN ist Angst ein guter Ratgeber – die andere Seite der Medallie unserer „Angst“. Und sie kann nutzenstiftende Motivallianzen – unsere Rettungsringe – schaffen.
Es geht nicht darum, nichts mehr zu konsumieren. Sondern um das rechte Maß mit Weitblick.
Die Reduzierung unserer Ansprüche ist ein wichtiges Gestaltungsinstrument unser modernen Konsumgesellschaft. Und bringt uns unsere Unabhängigkeit und unsere Autonomie zurück. So finde ich.
Es geht nicht mehr darum, die Welt zu retten, sondern uns selbst. Kreative und weitblickende Reduktion ist notwenig zum Schutz unserer eigenen Lebensgrundlage.
Was will ich meinem Enkel antworten, wenn er mich in der Zukunft zu unserem global entgrenzten Handeln einmal befragt:
„Warum hast Du unsere Welt aufgefressen? Oder was hast Du getan, um das zu verhindern?“
Darauf möchte ich eine Antwort haben und dabei in den Spiegel schauen können.
In der Mitverantwortung durch mein Vorleben der Rücknahme meiner Ansprüche über das blosse Gerede darüber hinaus.
Danke Astrid – für diese wertvollen Zeilen.
Heute ist es mehr denn je wichtig, die Macht unseres Konsums bei unseren Kaufhandlungen im Auge zu behalten. Durch Posts wie deinen hier bemerke ich auch immer wieder Aspekte, die ich zuvor unbeachtet ließ.
Ich erfahre den Weg hin zu einem „reduzierten und ressourcenschonenden Leben“ als eine Erweckungsreise und freu mich, dass diese „Bewegung“ wächst.
Schließlich führt die Reflexion über das eigene Konsumverhalten auch zu einem bewussteren Leben.
Herzliche Grüße
LuCy
Liebe LuCy,
Du beschreibst es sehr gut: „die Macht unseres Konsums“. Wir werden es nicht ganz „clean“ schaffen. Dazu sind und bleiben wir ein Teil dieses Systems. Wenn wir uns unserer Macht bewusst sind, können wir viel bewegen. Das WIR ist so wichtig. Und die Nutzung der sozialen Netzwerke. Im Guten!!
Diese Erweckungsreise kann ich genau so erleben. Streckenweise fühlt es sich sehr machtvoll an. Das Wissen „Bewegen“ zu können. Und ich erlebe eine spürbare Autonomie und Freiheit. Das ist in der Tat eine Art „Erwachen“.
Ganz liebe Grüße
Astrid