Warum ich jetzt nicht wählen ginge, wenn ich heute meine „gültige“ Stimme abgeben könnte. Nichtwählen ist auch eine Wahl.
In der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Situation kann ich meine „gültige“ Stimme nicht abgeben.
Warum? Schließlich war das mal sehr anders.
Derzeit habe ich ein masochistisches Gefühl, wenn ich mein Kreuz machen sollte. Diejenigen, die ich wählen würde, repräsentieren nicht mehr das, was ich für wichtig erachte. Es kommt mir heute vor, wie meine eigene nostalgische Fehlorientierung.
Der Einwand, dass kleinere Übel zu wählen, ist mittlerweile keine Alternative für mich. Im Spektrum der Parteien erkenne ich kein kleineres Übel.
Im Gegenteil.
Sie unterscheiden sich nur noch im Maß ihrer Rückwärtsgewandheit. Nichts kann ich finden, was meine Fragestellungen des 21. Jahrhunderts betreffen.
Wir haben die glückliche Situation, das in unserer realen Welt so viel passiert:
- radikale Generationenungerechtigkeit in ökologischer und ökonomischer Perspektive (nicht auszudenken, was ich einmal meinen beiden Enkeln hinterlasse)
- Entmächtigung von nationalstaatlicher Politik durch multinationale Konzerne über Machtagglomeration
- völlige Veränderung der geopolitischen Situation
- Veränderung unserer Kommunikationswelten durch Internet und die sich daraus ergebenen Überwachungsmöglichkeiten
- das eklatante Problem des Umganges mit den Flüchtlingsströmen in Europa
All diese Themen sind für meine Zukunft extrem relevant. Und die Fragen, die sich daraus für mich ergeben.
- Wie können die ökologischen und ökonomischen Folgen unseres derzeitigen Lebenstils radikal reduziert werden?
- Wie können wir unsere staatliche Autonomie wieder erlangen? Und damit als Gesellschaft resilienter zu werden.
- Wie können wir durch die veränderten Kommunikationswelten unsere Zukunft gelingend gestalten?
- Wie gelingt es uns Menschen in dieser Welt uns nicht weiter zu zerstören?
Die Herausforderungen der Gegenwart werden über eine Art der Zukunfsvergessenheit gar nicht wahrgenommen. Die Diktatur der Gegenwart lässt meine Zukunft verschwinden.
Das ist äußerst gefährlich, da wir auf unserem eigenen Pulverfass sitzen. Durch unseren Lebensstil, den wir in Zukunft nicht mehr führen können.
Heute und jetzt geht es nur noch um die Aufrechterhaltung eines brüchig gewordenen Status Quo in der politischen Welt.
Unsere Gesellschaft verändert sich. Wir haben ganz andere Herausforderungen als noch vor 30 Jahren. Und ich brauchen neue Fragen. Dann leben wir vielleicht auch irgendwann die neuen Antworten.
Ich brauche Politiker, die in die Zukunft denken und handeln. Die nicht nur zappeln, sondern die etwas verändern.
Ich möchte Politker haben, die sich selbst zumuten, Fragen zu stellen.
Die schon fast unheimliche Professionalität unserer Politiker in der Realisierung von Machtvorteilen kann ich unterstützen. Muss ich aber nicht.
Und wenn die AfD weiter an Zulauf gewinnt, dann müssen wir endlich Fragen stellen. Fragen, die wir dringend brauchen. Denn es wird höchste Zeit.
Es kommt am Ende auf die Menschen an, die Dinge anders machen. Auch und vor allem auf uns.
Nicht wählen ist keine Möglichkeit. Wählen unter den jetzigen Bedingungen auch nicht.
Rebellisch und zuversichtlich …
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P. S. Ich sehe die Einwanderung der Flüchtliche für unsere Zukunft als sehr bedeutsam. Es kann unserer Gesellschaft nichts besseres passieren. Warum? Sonst würden wir immer so weiter machen. Mit dem Kopf weiter gegen die Wand rennen. Und die Folgen unseres Handelns noch weiter in die Zukunft verschieben.
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Global denken.
Lokal handeln.
Liebe Astrid… ich weiß, darüber sind wir uns mehr als einig.
Auch Deine Zukunftsfragen – oder besser Zukunftsforderungen – sind den meinen nicht fern.
Aber ich sehe sehr akut die Gefahr, dass diese zu utopischen Zukunftsillusionen verkommen, wenn es neben der gegenwärtig so großen Zahl von Protestwählern auch eine große Zahl von so ambitionierten Protestnichtwählern, wie Du eine am Sonntag gewesen wärst, gäbe oder vielleicht sogar schon gibt.
Dieses Protestnichtwählen gestattet es, wenig bis nichts von den Parteiprogrammen wissenden Protestwählern über Deine, die Zukunft Deines Kindes, Deiner Enkelkinder und von uns allen für mehrere Jahre zu entscheiden und – im worst case – unwiderrufliche und unumstößliche Tatsachen zu schaffen.
Willst Du denen diese Macht geben?
Ich will es nicht. Und so werde ich bei der nächsten Wahl meine gültige Stimme taktisch klug vergeben. Um das Schlimmste zu verhindern und dessen kleine Geschwister zu einzudämmen.
Politische Wahlen sind keine Herzensangelegenheiten… mehr. Sie sind Mittel zum Zweck. Zum Zweck unseren Zukunftsforderungen eine Chance zu geben.
Den Blick auf den Horizont.
Die Füße auf dem Boden der Tatsachen.
Äußerst rebellisch.
Sabine
Liebe Sabine,
mmmmhh – Deine Gedanken stimmen mich natürlich nachdenklich.
Diese „Protestwähler“ (in meinen Augen kein Protest gegen die bestehenden Verhältnisse, sondern eher die Sichtbargewordene „Stimme“ von Nichtlesern/Nichtdenkern von Parteiprogrammen – noch schlimmer …) habe zweistellige Tatsachen geschaffen.
Nun, möchte ich denen Macht geben? Ganz klar NEIN!!
Was nun, sprach Zeus, die Götter sind betrunken.
Nachdenklich
Astrid <3
Ich war wählen. Und ich habe mich klar gegen die derzeit herrschende represanative Demokratie für ein herrschafsfreies Leben entschieden. 🙂
Ein Kreuzchen hab ich am Sonntag allerdings nirgends auf Papier gebracht. Was dann war ich nicht wählen? Na eben doch, und das abgeben einer Stimme als nicht wünschenswert erhalten. Ich möchte für mich selst sprechen können. Ich wünsche noch brauche ich keine Autorität, insbesondere nicht dafür um mir Gedanken um mein handeln zu machen.
Keine Grenzen – keine Schranken 🙂