Unsere Kriege sind sie Ursache für diesen Terror. Nicht der Islam. Bin ich auch bald Flüchtling? Und wenn ja, wohin?
Warum wollen diese jungen Menschen nicht lieber glücklich mit ihren Kindern und Enkeln in einem Haus am See, am Ende einer Straße auf der Orangenbaumblätter liegen, wohnen und vor allem alt werden? Warum laden sie die Gewehre nach und halten nicht inne? Auch nicht gegen sich selbst?
Facebook und andere soziale Medien scheinen in diesen Tagen nur noch aus drei Farben, der Tricolore, zu bestehen und „alle“ beten für Paris. Diese Art der Anteilnahme mag ich sehr. Und so sehe ich Facebook & Co. in großer Mitverantwortung in der modernen Kommunikation. Es ist allerdings nur die eine Seite der Medallie.
Menschlichkeit und Mitverantwortung für eine gerechtere Welt ohne Armut und Krieg muss von uns allen gelebt werden. Wenn wir wirklich etwas bewirken wollen. In dieser unserer Welt.
Worauf kommt es eigentlich an? Auf unser engagiertes Handeln.
Engagiertes Handeln bedeutet nicht nur, die Symptome zu bekämpfen, etwa den „Islamischen Staat“. Wir müssen die Probleme an der Wurzel packen. Dort, wo sie entstehen. Und somit endlich hinter das WARUM von Flucht, Terror und Krieg schauen.
Die einzige adäquate Antwort auf die Pariser Anschläge lautet nach meiner Meinung:
- Soziale Gerechtigkeit in einer Welt ohne Krieg und globale Verantwortung für unser TUN. Wer keine Chance auf ein sozial gerechtes und anerkanntes Leben sieht, geht fundamentalistischen Rattenfängern schnell auf den Leim. Und da fängt auch meine Mitverantwortung an. Globale Ausbeutung, moderne Art der kolonialisierten Sklavenarbeit und Rohstoff-Zerstörung machen die Waren in unseren Supermärkten billig und jederzeit verfügbar. Das Streben der amerikanischen Außenpolitik Terror mit Terror zu bekämpfen, auch um letztendlich weltweit die Macht über die Rohstoffreserven zu erlangen, dürfte wohl endgültig ad absurdum geführt sein.
- Religionskritische Bildung und sinnstiftende Verbundenheit. Solche Anschläge kann nur verüben, wer ein intellektuell äußerst limitiertes Weltbild besitzt. Häufig sind es Menschen, die nach Orientierung und nach einem Sinn im Leben suchen. Diese Sinnsuche wird verknüpft mit der Sehnsucht nach Geborgenheit, Anerkennung, Vertrauen, Fürsorge und Liebe. Viele Menschen erhoffen sich durch den Anschluss an eine radikale Gruppe, die viel ersehnte familiäre Wärme zu finden. Sie suchen in der Gruppe Geborgenheit, ein Gefühl, das ihnen in der eigenen Familie und vor allem in unserer Gesellschaft verwehrt geblieben ist. Meist dient dann auch die Religion nur als Identitätsstifter. So bieten radikale Gruppen eine einfache und klare Antwort auf die Identitätssuche dieser Menschen an. Auch da sind wir gefragt … Wie sind wir unterwegs? Was brauchen Menschen, um wirklich zufrieden zu sein? Wie sind wir unterwegs??
- Gerechtigkeitsbedürfnis stillen. Es gibt ein einfaches Weltbild, das aus Gut und Böse besteht. Alles scheint klar und ersichtlich zu sein. Die Regeln sind klar, die Wahrheiten einfach. Diese eingeschränkte Weltsicht ist für viele Menschen (auch für die Menschen unter uns, die „Pegida“ förmlich in die Arme laufen!!!) ein wichtiger Anziehungspunkt, weil sie in einer undurchsichtigen Gesellschaft diese Gewissheit nicht haben. Daher bieten ihnen diese radikalen Gruppen eine Komplexitätsreduzierung an. Bei Eintritt in diese Gruppen wird das „Wir“-Gefühl gestärkt. Hier finden Menschen Gehör. Hier sind sie willkommen, werden nicht ausgestoßen!!! Sie gehören dazu. Sie sind wichtig, was noch einmal das Selbstwertgefühl steigert. Daher ist die Radikalisierung auch eine Gegenreaktion zur Ausgrenzung. Und hier sind wir als Gesellschaft gefragt. Mehr denn je. Was ist der Grund, dass wir diese Menschen „verloren“ haben???
Und aus diesen Gründen mache ich mir auch Sorgen, wenn ganz normale Menschen die Deutschlandfahne raus holen. Und haben nicht jetzt Pegida und die Flüchtlinge den selben „Gegner“?
Wenn nicht bald in der Welt die Sümpfe trocken gelegt werden, aus denen der Terror, Flucht und Krieg wachsen, dann wird es dunkel werden. Dann braucht es genau diesen Kollaps, um zu den wesentlichen Dingen zu finden. Ein RESET.
Die Welt ist kein Schachbrett, auf dem die Mächtigen ihre Figuren wie im Spiel schieben dürfen.
Und es ist an der Zeit zu erkennen, dass es unsere eigene Gewalt ist, die wie ein Bumerang auf uns zurückschlägt. Die Kriege des Westens sind die Ursachen des Terrors. Nicht der Islam. Erst wenn wir das erkennen und unser derzeitiges System von Grund auf erneuern, können wir die Spirale des Terrors durchbrechen. Erst dann.
Mit Euren bestialischen Morden werdet Ihr nie ins Paradies zu den Mädels kommen. Sondern allenfalls neben George W. Bush in der Hölle braten.
Lasst uns all die anderen Muslime in unserer Gesellschaft NICHT in Kollektivhaft nehmen. Und endlich aufhören, Waffen in die dortigen Kriegsgebiete zu liefern.
Schaffen wir das? Geht das vorbei? Und wenn nicht, wie erkläre ich das meinen beiden Enkelkindern? Ich habe darauf noch keine Antwort.
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Liebe Astrid,
wie immer treffend, mutig und emotional auf den Punkt gebracht! Genauso sehe ich es auch! Vielen Dank für diesen Beitrag!
Liebe Grüße
Hans-Jürgen
Lieber Hans-Jürgen,
schön, dass Du es auch so siehst. Das finde ich toll. Ja, es ist mutig meinen Blick und meine Sicht zu weiten. Einen Schritt weiter zu denken. Das WARUM dahinter zu erfühlen. Hat es doch auch immer etwas mit mir zu tun. Welchen Einfluss ich habe/haben kann.
Ich danke Dir sehr. <3
Herzlichst
Astrid