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Warum ich heute meine Lauf-App gelöscht habe

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Heute Morgen habe ich meine Lauf-App gelöscht. Und gleich dazu noch den Account.

Da ich schon seit längerem über das Reduzieren nachdenke (und ja, endlich auch will und vor allem kann) und den dahinter liegenden Drang nach immer mehr Konsum hinterfrage, bin ich sehr froh, dass ich diesen Entschluss heute getroffen habe. Ja, noch mehr – treffen konnte. Ich habe ein Hobby, welches von äußerst geringem Materialeinsatz lebt. Es kann. Muss aber nicht.

Nun, was brauche ich tatsächlich, um zu laufen, um meinen heilsamen Weg zum Wohlbefinden wieder zu spüren? Na ganz sicher keine Lauf-App. Also gesagt getan.

Kurze Zeit später lief ich los. Schuhe, Hose, Shirt und eine dicke Jacke (am 21.06.!)

Ich schloss meine Wohnungstür und hatte nur meinen Schlüssel in der Hand. Kein Telefon mit App, keine Uhr. Ich begann zu laufen.

Mein Weg führte über die Grüntaler Straße und Norweger Straße durch den schon sehr belebten Mauerpark. Weiter entlang der Bernauer Straße an der Gedenkstätte der Berliner Mauer vorbei spürte ich plötzlich Teil alles um mich herum viel intensiver wahrnehmen zu können. Zu diesem Moment zu gehören. Ich fühlte mich mit mir und dem Leben verbunden. Durch den Park am Nordbahnhof zurück über den Humboldthain kam ich nach ca. 9 km („früher“ mal vermessen) zufrieden wieder nach Hause.

In welcher Zeit? Keine Ahnung. Es war aber noch hell.

Ich genoss meine Stadt in vollen Zügen. Die Menschen um mich herum, die Stimmen und die Geräusche. Gerüche. Nahm alles sehr konzentriert war und hörte sogar das Zwitschern der Vögel. Ich war ganz im Augenblick des Laufens.

Worum geht es mir?

Mir geht es darum, mein Laufen wieder bewusst zu erleben. Ich will einfach wieder konzentrierter zu sein.  Wieder mehr Wesentlichkeit in mein Leben zu bringen. All das ging mir nämlich einmal verloren.

Was für mich beim Laufen gut ist, ist meine Entscheidung und keine objektiv bestimmbare Größe. Der Drang nach Perfektionismus – nach schneller, weiter und länger – ist für mich geradewegs der Gang in das Gefühl nicht zu genügen. Nicht gut zu sein, wie ich bin.

Was ich wieder fühlen möchte, ist Freiheit in meiner Bewegung, die Leichtigkeit in meinen Schritten, die Ausdehnung in meiner Brust und das warme Gefühl von dem Fluss des Lebens, der durch meinen Körper fließt.

Ich möchte darüber entscheiden, wann und wie ich laufe. Selbstdisziplin im Namen der Selbstoptimierung als Marionette ist nicht mehr mein Weg. Ich habe keinen Bock mehr auf diesen Scheiß.

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  5. …genauso laufe ich seit Jahr(zehnt)en – mit den gleichen Empfindungen wie Du. Laufen ist die beste Methode, die eigenen Körpersignale wahrzunehmen. Externe Technik – ob Lauf-App, Pulsuhr, Schrittzähler oder sonstwas – stört nur und schafft Abhängigkeit.

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    • … ein neues Laufgefühl. Frei zu sein. Ich habe dabei auch manchmal das Gefühl, dass ich wieder Hoheit über mich selbst erhalten habe … 😉
      Du hast es in so wenigen Worten gut beschrieben. Danke!!

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