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Warum in 6 Tagen wegen mir fast ganz Berlin gesperrt wird …

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Zu dem Showdown der Weltelite im Marathonlauf kommt es in diesem Jahr beim 42. BMW BERLIN-MARATHON  am 27. September 2015.

Am Start sind drei der weltbesten Marathonläufer und ICH.

Mein „Running with the devil …“ startet an diesem Tag 9 Uhr in der Früh. Der Weltrekord von 02:02:57 Stunden wurde im letzten Jahr am 28.09.2014 beim 41. BMW Berlin-Marathon von Dennis Kipruto aus Kenia „gelaufen“. Die Geschwindigkeit von über 20 km/h könnte ich kaum mit dem Rad halten. Das festgelegte Zeitlimit liegt am kommenden Sonntag bei 06:15:00 Stunden. Dazwischen muss ich nur laufen. 😉

Zu meinen fortgesetzten Unvernünftigkeiten gehört das konsequente Ignorieren allgemein akzeptierter Trainingserkenntnisse. Viele lange Läufe, qualvolle Tempowechselläufe, Stabilisationsübungen, …!! All das findet man im Meer von Trainingsratgebern zur Vorbereitung eines Marathons. Und die Ernährung erst …

Das Problem: Ich habe keine Lust dazu und oft auch andere schöne Dinge zu tun.  Und es gibt auch wichtigeres im Leben. Wieder einmal hat in diesem Jahr Gefühl besseres Wissen geschlagen. Ausserdem denke ich, dass ein normal trainierter und gesunder Mensch in der Lage sein sollte, am Stück 42, 195 km zu laufen. Ohne eine besondere Zielzeit, müsste das eigentlich machbar sein. Hoffe ich auch diesmal.

Und ich denke darüber nach, warum ich das eigentlich nun schon zum 5. Mal mache … Bildschirmfoto 2015-09-20 um 17.51.38

  • Ich habe wieder mal 42,195 Kilometer Zeit, den eigenen Schweinehund zu bekämpfen.
  • Marathonläufer zu sein klingt einfach cool. Klingt nach: Ich hätte es drauf …
  • Es gibt viele Möglichkeiten, mich mit zurechtgeschnittenen Bananen – bei meiner Laufzeit schon extrem glitschigen und dunkelbraunen Exemplaren – an den Verpflegungsstellen vollzustopfen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Ich liebe Bananen.
  • Ich habe genügend Zeit darüber nachzudenken, was für einen Schwachsinn ich gerade verzapfe. Im Inneren besteht wieder die Möglichkeit, ein für alle Male zu schwören, nie wieder… (meist ist dieser Wunsch nach dem Zieleinlauf aber spurlos verschwunden, und ich melde mich WIEDER für den nächsten Berlin-Marathon an).
  • Ich habe die Möglichkeit, mit anderen Läufern 42,195 Kilometer lang zu reden. In meiner Laufgeschwindigkeit ist das durchaus im Rahmen des Möglichen.
  • Ich kann „endlich“ wieder dem „Mann mit dem Hammer“ begegnen.  Ihn zu treffen bleibt immer wieder unvergesslich. An unser Miteinander kann ich mich jedesmal heute noch genau erinnern. Und er gesellte sich bisher auch immer zu unterschiedlichen Zeiten zu mir. Bei meinem 2. Marathon lief er schon ab km 18 mit. Wie schön … 😐
  • Die Stadt gehört nächsten Sonntag MIR und den anderen 45.000 Verrückten, die im Zeitalter des motorisierten Fortbewegens die Strecke im Kreis „laufend“ absolvieren. Ein erhabenes Gefühl, wenn Autofahrer ins Lenkrad beißen und an einer Absperrung mir/uns die Straße überlassen müssen.Bildschirmfoto 2015-09-20 um 17.32.17
  • Ich habe am Tag (nein, mehrere Tage nach dem Marathon) gute Gründe, allen zu erzählen, dass ich Marathon gelaufen bin. Auch denen, die es zum x-ten Mal nicht hören wollen. Das ist mir aber egal.
  • Kein Lauf ist wie der andere. Das weiß ich.

Fast nichts in meinem Leben war und ist mit einem Marathonlauf zu vergleichen. Während des Laufens erlebe ich ein Emotionsgewitter. Von brennendem Ehrgeiz bis hin zu totaler Lethargie, von maximaler Euphorie bis hin zu tiefster Trauer, die von Tränen begleitet wird – so intensiv, dass ich davon scheinbar immer noch nicht lassen kann. Hier gelingt es mir für Stunden, mich von allem zu befreien. Ich bin mit mir allein. Nicht immer gern.

UND nichts erlebe ich so berauschend, wie die letzten 2 km …

Eine Euphorie, die ich nicht beschreiben kann. In diesem Moment lebe ich in mich hinein. Bei der Hyserie meines Körper auch kein Wunder. Hinter dem Brandenburger Tor das Ziel vor Augen, Bildschirmfoto 2015-09-20 um 17.33.30 das Tosen der Zuschauer im Ohr. Im „Schlussspurt“ laufe ich hoch emotional und bewegt der Ziellinie entgegen, lass mich von meinen Gefühlen tragen. Sie überwältigen mich – jedes mal. Zogen sich die letzten Kilometer auch noch so zäh, so vergehen diese letzten Meter viel zu schnell. Dieses Glücksgefühl, das mir jeden Zweifel nimmt. Dafür hat sich alles gelohnt. Das wünsche ich mir nächsten Sonntag.

Und wenn’s gar nicht mehr geht, dann laufe ich einfach nur locker weiter …

Okay, wenn es einfach wäre, dann würde es Fußball heißen. 😉

Ich werde an diesem Tag mental und physisch an meine Leistungsgrenze gehen und wahrscheinlich noch darüber hinaus.

Angespannt, vorfreudig, demütig, achtsam, hoch konzentriert, unsicher!

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9 Kommentare

  1. Pingback: Warum 2016 mein erstes Jahr ohne Wettkampf ist ... - rawrebel.de

  2. Hallo Astrid,
    sehr sehr schön geschrieben!!! Ich weiß so ziemlich genau was ein Marathon mit einem macht. Da ich leider nicht zu den Priviligierten zähle starte ich am 25.10 in Frankfurt. Ich gönne Dir aber vom ganzen Herzen deinen Start, ganz viel Spaß dabei und ein Gesundes ankommen.
    Der Erfolg bleib, der Schmerz geht!
    In dem Sinne viel Spaß!!

    LG Tom

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    • Lieber Tom,
      wie schön von Dir zu lesen. Leider bist Du nicht dabei. Du weißt sehr sehr genau, was dieser Marathon bedeutet. Ich weiß … 😉
      Liebe Grüße zurück!!
      Astrid und vielleicht bis bald!!

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  3. Du hast Deine Gefühlswelt so wundervoll beschrieben, dass mir nur bleibt zu sagen: „Geh da raus und tauche voll ein in Dein Gefühlsgewitter! Genieße und verfluche jeden Moment. Grandios und beneidenswert. Ich bin in Gedanken bei Dir.“

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    • Und ich weiß, dass Du genau weißt, was ich meine. Das ist schön. Deine Reise dauerte länger und war sicher extrem bedeutsam. 🙂
      Danke für Deine Worte. Ich werde eintauchen und verfluchen …

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  4. …Du triffst den Nagel auf den Kopf!! Gut zu wissen, daß man nicht alleine diese Gefühle hat! Ich bin DANKBAR zum 9.Mal dabei sein zu dürfen… will endlich meinen JubileeClub schaffen!! Warum? Frage Dich?!!! Wünsche Dir viel Spaß am Sonntag… und an den anderen Tagen natürlich auch!! Alles Liebe…

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    • … zum 9. Mal!!! Wundervoll, dann ist der Jubilee Club nicht mehr weit. Und ich wünsche Dir aus diese Grund vor allem, dass auch die nächste Anmeldung wieder gelingt. Ich wünsche Dir am Sonntag einen tollen Lauf. Und Du bist an diesem Tag nicht allein – mit den vielen „Hochs“ und „Tiefs“. Und für die letzten 195 m hat sich dann wieder alles gelohnt. :-))) Alles Liebe für Dich !! <3

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  5. Hallo Astrid,
    irre Sache – ich würde sicherlich bereits nach 2 Kilometern das Handtuch schmeißen. Wünsche Dir einen supertollen Marathonlauf und freue mich schon drauf, darüber dann zu lesen. Nicht nur, dass Du so eine Sportskanone bist, Du schreibst auch noch einmalige Artikel, die einfach Lust auf mehr von Dir zu lesen machen.
    Liebe Grüße
    Ute

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    • Liebe Ute,
      vielen lieben Dank für Deine tollen Worte. Ich finde es auch immer wieder „neu“ eine „irre Sache“. Und komme mir wieder vor wie ein Kind, dass zum ersten Mal vor dieser Strecke steht. Irre Sache.
      Freut mich, wenn es Dir gefällt, wie ich versuche mein Leben – was mich bewegt und mir bedeutsam ist – in Worte zu fassen. Ich schreibe meine Worte auch immer noch nicht einfach so runter. Es braucht Zeit. Jedes Mal.
      Liebe Grüße
      Astrid <3

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